Liebe – Weltlich und Geistlich

Somebody loves me… – Chormusik aus vier Jahrhunderten


Jemand liebt mich. Diese Worte eines der berühmtesten Songs des in Brooklyn geborenen russisch-jüdischen Immigranten-Sohnes George Gershwin stehen über dem diesjährigen Sommerkonzert-Programm des Jugendkonzertchores Bonn, das unterschiedlichste Szenen und Situationen der Sehnsucht nach Liebe („Michelle, ma belle“, Beatles), des Geliebtwerdens („I feel fine“, Beatles), des Buhlens um Liebe, des Feierns der Liebe („Quand je bois du vin clairet“), der Vergänglichkeit von Liebe und Leben und des Scheiterns durchspielt.

In Ernst Lothar v. Knorrs – übrigens in Eitorf geboren und in Bonn aufgewachsener Musikhochschulleiter – gelungener Stilkopie eines „Minneliedes“ schlüpft das lyrische Ich in die Rolle König Konradins, der schon im zarten Alter von 14 Jahren (1266) die achtjährige Tochter Sophia des Markgrafen Dietrich von Landsberg heiratet, auf deren Liebe er zu hoffen scheint… Die Vielfalt der Liebesszenen (und deren freimütige Darstellung!) in den europäischen Madrigalen (mehrstimmigen weltlichen Liedern) der Renaissance ist schier unübersehbar: Zwei französische Frauen, die von ihren Männer schwärmen, weil diese sie nicht einmal schlagen und sogar den Haushalt führen und sich dafür noch vom schnatternden Federvieh verspotten lassen, ein italienischer Landsknecht (einfacher Soldat), der seiner sozial hoch überlegenen Angebeteten ganz klassisch unterm Fenster singend ebenso seine Liebe wie seine Einfalt gesteht, dabei aber zugleich augenzwinkernd „Petrarcha“ und die „Quelle des Helicon“ zitiert, ein englischer Gentleman, den die Frische des Frühlings und die Glut des Sommers auf den Wangen und in den Augen seiner Liebsten betören, der andere Vorzüge seiner Schönen mit den reifen Früchten des Septembers vergleicht und am Ende ernüchtert die winterliche Eiseskälte ihres Herzens beklagt – um nur wenige Beispiele zu nennen.

Kein Wunder, dass sich da in Liebesdingen die Gefühle mitunter wild mischen: „Odi et amo“ heißt es in Orffs Carmina Catulli mit den Worten des großen römischen Dichters, den die flatternde Liebe Lesbias schier zum Wahnsinn treibt.

Da mag der Gedanke der Vergänglichkeit alles Irdischen manchem tröstlich erscheinen, wenn melancholisch, aber zuverlässig das „Rad der Jahre“ sich weiterdreht („La Ronde des Ans“ von Etienne Danielle) und dabei das Salz des Meeres allmählich das Haar weiß färbt. Der Vergänglichkeit alles Seienden, so Rilke in einem seiner französischen Gedichte, sei nur die Flüchtigkeit einer Melodie gewachsen, die „mit Liebe und Kunst“ rasch gesungen werden müsse, bevor der Tod komme.

Von unvergänglicher Zuneigung hingegen zeugt das Vertrauen der Israeliten auf Gott: Der einzige Gospel des Programms, „Wade in the Water“, besingt eindringlich den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft durch die auf göttliche Weisung hin geteilten Fluten des Meeres.